Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 1. Juli 2014 entschieden (AZ: VI ZR 345/13), dass der Betreiber eines Bewertungsportals für Ärzte keine Auskunft über Nutzerdaten erteilen muss, selbst wenn mehrfach in Bewertungen falsche Tatsachen behauptet werden. Ein Arzt hatte über die Identität des Verfassers verschiedener Bewertungen vom Betreiber der Bewertungsplattform Auskunft verlangt, nachdem mehrfach unwahre Behauptungen über ihn veröffentlicht worden waren. Der Betreiber hatte die fraglichen Bewertungen zwar gelöscht, aber nicht mitgeteilt, wer die Bewertungen verfasst hatte und keine Daten über den Verfasser herausgegeben. Zunächst war der Betreiber in zwei Instanzen zur Auskunftserteilung verurteilt worden. Der BGH hat jedoch dieser Auffassung eine Absage erteilt und darauf hingewiesen, dass der Betreiber eines Internetportals ohne eine ausdrückliche gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt ist, personenbezogenen herauszugeben. Dies gilt auch dann, wenn die Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Rechtsverletzung an einen Betroffenen übermittelt werden sollen. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Herausgabe solcher Daten ohne Einwilligung zulässig ist, wurde bisher aber bewusst nicht geschaffen. Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Sicherheit für Forenbetreiber und Bewertungsportale

Erfreulich ist die Entscheidung für alle Betreiber von Internetseiten mit Inhalten, die von den Nutzern erstellt werden, also z.B. Foren, Bewertungsportalen usw. Der BGH hat klar gestellt, dass rechtswidrige Inhalte von den Betreibern zwar gelöscht werden müssen, wenn solche Inhalte zu Recht beanstandet werden. Die Herausgabe von Nutzerdaten ist jedoch tabu.

Schutz der Anonymität im Internet

Auch die Nutzer profitieren grundsätzlich von dieser Entscheidung, denn die wichtige und gesetzlich garantierte Möglichkeit, sich anonym oder unter Pseudonym zu äußern (§13 Abs. 6 TMG) wäre gefährdet, wenn Provider durch einfache Auskunftsklagen gezwungen werden könnten, personenbezogene Daten herauszugeben.

Bedeutung für Produkt- und Händlerbewertungen?

Für Produktbewertungen und Händlerbewertungen auf Plattformen wie eBay oder amazon spielt die Entscheidung eine geringe Rolle. In der Regel findet die Bewertung dort erst statt, nachdem es zu einem Kontakt gekommen ist. Bewerter und Bewerteter kennen sich bereits, so dass die Adressdaten schon vorliegen und nicht beim Betreiber der Plattform angefordert werden müssen. Auch hier sind allerdings viele Fälle denkbar, in denen jemand von einer negativen Bewertung betroffen sein kann, ohne Kontakt mit dem Autor der Bewertung gehabt zu haben. Auch in diesen Fällen wird es einen Auskunftsanspruch gegen den Plattformbetreiber nicht geben.

Erschwernis für Mobbingopfer

Für diejenigen, die Opfer von Mobbing oder sonstigen Rechtsverletzungen werden, wird die Lage schwieriger. Auf zivilrechtlichem Wege wird es künftig nahezu unmöglich sein, an den Namen des Täters zu gelangen. Es bleibt nur die Erstattung einer Strafanzeige und die Hoffnung, dass die Ermittlungsbehörden die Daten ermitteln. Die Entscheidung darüber hängt jedoch oft von Faktoren ab, die für Außenstehende kaum nachvollziehbar sind. Nur wenn tatsächlich Ermittlungen durchgeführt werden, kann der Geschädigte über eine Akteneinsicht in die Strafakte  vielleicht den Namen des Täters in Erfahrung bringen. Gerade bei Äußerungen, die zwar geschäftsschädigend sind, aber die Grenze zur Beleidigung oder Verleumdung nicht überschreiten, werden die Betroffenen kaum auf die Hilfe der Staatsanwaltschaft hoffen können. In den Fällen, in denen die Grenze zur Straftat nicht überschritten wird, kann der Gegner künftig nicht mehr direkt ermittelt werden. Dies wird bei geschäftsschädigenden Äußerungen und unwahren Tatsachenbehauptungen oft der Fall sein. Hier bleibt dann nur, den Provider zur Löschung der Äußerungen zu veranlassen.

Keine Bedeutung für polizeiliche Beschlagnahmung

Die Entscheidung des BGH betrifft nur den Auskunftsanspruch des Geschädigten, der zivilrechtlich durchgesetzt wird. Die Ermittlungsbehörden können auch weiterhin im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten beschlagnahmen, soweit ihnen dies für die Strafverfolgung notwendig erscheint. Für unrühmliche Aktionen wie etwa die Beschlagnahmung der Daten eines Foren-Nutzers in der Redaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung durch die Polizei, weil sich der Ordnungsreferent der Stadt Augsburg von einem Beitrag im Leser-Forum beleidigt fühlte, hat die Entscheidung vom 1.7.2014 (leider) keine Bedeutung. Hier sind die Provider also nach wie vor darauf angewiesen, dass die Ermittlungsbehörden die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten.