In der Branche der Paketzusteller sind Verstöße gegen das Mindestlohngesetz nach unserer Erfahrung an der Tagesordnung. Aufgrund branchentypischer Strukturen, oft vorhandener Sprachprobleme und schwieriger Beweislage wagen Mitarbeiter selten den Schritt vor das Arbeitsgericht. Dass sich das dennoch lohnt, zeigt der folgende Fall, in dem wir den Arbeitnehmer vertreten haben:

 

Sachverhalt – Zusteller bei DPD-Subunternehmer:

Unser Mandant war bei einem Subunternehmer der DPD Deutschland GmbH als Paketzusteller beschäftigt. Der Subunternehmer beschäftigt ausschließlich ausländische Kräfte, denen er ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.600,00 Euro und darunter zahlt. So auch unserem Mandanten. Im Arbeitsvertrag war eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vereinbart. Tatsächlich hat unser Mandant, wie auch alle übrigen Fahrer, täglich 12-14 Stunden geleistet, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60-70 Stunden entspricht.

Der Subunternehmer hat unseren Mandanten mit fadenscheinigen Begründungen fristlos gekündigt. Wir haben gegen die Kündigung die Kündigungsschutzklage erhoben.

Im zweiten Schritt haben wir die Klage erweitert und sowohl den Arbeitgeber unseres Mandanten, also den Subunternehmer, als auch die DPD Deutschland GmbH auf Zahlung des Differenzlohnes nach dem Mindestlohngesetz rückwirkend für die letzten 2 Jahre verklagt.

Aus prozessualer Sicht bestand die Hauptschwierigkeit darin, nachzuweisen, dass unser Mandant täglich 12 Stunden und mehr gearbeitet hat.

Mindestlohngesetz, Arbeitszeit und Beweislast:

Das Gericht hat die Kündigung als unwirksam angesehen. Zu der Forderung nach dem Mindestlohngesetz hat das Gericht zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits der Arbeitsvertrag gegen das Mindestlohngesetz verstößt. Denn unter Zugrundelegung einer 48 Stunden-Woche und eines Bruttomonatsgehalts von 1.600,00 € ergibt sich ein Stundenlohn von 7,73 €, also unterhalb des Mindestlohnes.

Bezüglich der Frage, welche Partei was inhaltlich zu den geleisteten Stunden vortragen muss, verwies das Gericht auf das neueste Urteil des BAG, Urt. v. 21.12.2016 – 5 AZR 362/16, in dem das BAG genau zu dieser Frage Stellung genommen hat.

Danach ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht -nachgekommen ist.

Das Gericht hat in der Verhandlung angemerkt, dass beide Parteien entsprechend dem Urteil des BAG zu den geleisteten Stunden noch vortragen müssen. Gleichzeitig hat das Gericht den deutlichen Hinweis erteilt, dass die DPD Deutschland GmbH, die mitverklagt wurde, dafür haftet, dass der Subunternehmer (hier Arbeitgeber) nicht den Mindestlohn gezahlt hat.

Am Ende haben sich die Parteien auf einen Vergleich geeinigt. Danach haben sich der Arbeitgeber und die mitverklagte DPD Deutschland GmbH zur Zahlung eines 5-stelligen Betrages verpflichtet.

Empfehlung:

Wir empfehlen anwaltlich zu prüfen, ob Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz bestehen. Denn es gibt gute Erfolgsaussichten bei der Durchsetzungen der Ansprüche vor Gericht. Der Vorteil ist auch, dass in solchen Fällen der Hauptauftragsgeber (hier DPD Deutschland GmbH) für die Erfüllung der Ansprüche mithaftet. Diese Ansprüche sind von der Ausschlussklausel des Arbeitsvertrages nicht erfasst und können deshalb nicht verfallen. Sie unterfallen lediglich der Verjährungsregelung von 3 Jahren.