Wenn die Anwälte der Musikindustrie ihre Massenabmahnungen versenden, dann haben sie zuvor von den Providern derjenigen, die abgemahnt werden, die notwendigen Adressdaten erhalten. Da die Musikindustrie lediglich feststellen kann, über welche IP-Adressen an sog. Tauschbörsen teilgenommen wird, werden die Provider im gerichtlichen Verfahren gem. § 101 UrhG gezwungen Auskunft darüber zu geben, welche IP-Adresse welchem Anschluss zuzuordnen ist. Der betroffene Anschlussinhaber erfährt von diesem Verfahren nichts. Er bekommt nur – früher oder später – auf Grundlage der erteilten Auskunft eine Abmahnung.

 

 

In der Praxis bedeutet dies, dass vom Betroffenen faktisch nicht geprüft werden kann, ob die Zuordnung der IP-Adresse zu seinen Daten fehlerfrei ist. Auch kann von ihm nicht geprüft werden, ob bereits die Erfassung der IP-Adressen fehlerhaft erfolgt ist usw. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung eine Möglichkeit entwickelt, wonach der Anschlussinhaber sich durch eine Beschwerde an dem Auskunftsverfahren zwischen Provider und Rechteinhaber beteiligen kann. Problematisch ist dabei die Frage, ab wann die Frist für die Einlegung der Beschwerde zu laufen beginnt.

 

 

In einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat das LG-München dazu Folgendes entschieden:

 

 

Die für das Einreichen der Beschwerde gegen einen Auskunftsanspruch in P2P-Fällen maßgebliche zweiwöchige Frist beginnt erst ab Kenntnis des durch die Auskunftserteilung beschwerten, aber am Verfahren nicht beteiligten, Anschlussinhabers zu laufen.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt verlangte die Rechteinhaberin an mehreren Musikstücken Auskunft über eine zugewiesene IP-Adresse von einem Anschluss-Anbieter, um den Anschluss festzustellen, von dem aus die Musikstücke in einer P2P-Tauschbörse angeboten wurden.

 

 

Das Landgericht München löste dieses Problem dahingehend, dass eine 14-tägige Beschwerdefrist erst ab Bekanntgabe des Beschlusses durch das Gericht an den durch die Auskunftserteilung beschwerten Anschlussinhaber anzunehmen ist. Die Frist kann nicht zu laufen beginnen, bevor der jeweilige Anschlussinhaber von dem Beschluss Kenntnis erhält. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Anschlussinhaber durch die Abmahnung erfährt, dass es einen solchen Beschluss gibt. Die Bekanntgabe muss den Anforderungen von § 41 FamFG entsprechen.

 

 

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Urteil vom 26.05.11 (6 W 84/11) die  gegenteilige Auffassung vertreten, dass die Frist auch für Nichtbeteiligte, deren gebotene Beteiligung zum Antragszeitpunkt mangels Kenntnis ihrer Klarnamen nicht möglich war, ab der letzten Zustellung an einen der Beteiligten, zu laufen beginnt.  Das Landgericht München hält eine solche Auslegung jedoch für einen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie und dafür für verfassungswidrig. Zur Begründung führte das Gericht an, dass eine schon bis zur Abmahnung der vom Provider mitgeteilten Anschlussinhaber eine ab Bekanntgabe des Beschlusses an die beiden formal Beteiligten (Antragssteller und Provider) berechnete 14-tägige Frist praktisch immer abgelaufen ist, so dass die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln praktisch immer zu einem faktischen Ausschluss des Beschwerderechts führen würde.

(LG München, Urteil vom 05.08.11 – 7 O 20019/10)