Die Situation ist nicht selten: Ein Einzelhändler wird von einem wichtigen Markenhersteller, mit dem er oft Jahre lang erfolgreich zusammengearbeitet hat, plötzlich nicht mehr beliefert. Entweder wird gar kein Grund genannt, oder offensichtlicher Blödsinn vorgeschoben („..die Präsentation unserer Produkte entspricht nicht den qualitativen Ansprüchen, die unser Mandant im Rahmen seiner Markenführung bla bla …“).
Mächtige Mitbewerber machen Druck
In Wahrheit wird oft von stärkeren Mitbewerbern Druck auf den Hersteller gemacht, den kleinen nervigen Konkurrenten nicht mehr zu beliefern, der dauernd so billig im Internet, auf eBay, oder sonst wie ungehobelt verkauft, ohne sich an die UVP zu halten und der andauernd die Preise kaputt macht. Dabei waren sich doch auf der letzten Fachtagung (also bei der Standparty des Herstellers auf der letzten Messe, so gegen 02.45 Uhr) alle (befreundeten) Marktteilnehmer völlig einig, dass die UVP (in Worten: UNVERBINDLICHE Preisempfehlung) von ALLEN und UNBEDINGT auf den Cent einzuhalten ist.
Etwaige Preisnachlässe müssten im Voraus von einer Vertrauensperson des Herstellers in Absprache mit den betroffenen Mitbewerbern konspirativ und unter absoluter Meidung von Schrift- oder Textform genehmigt werden.
Der alltägliche Wettbewerbsverstoß
Dass alles ist einerseits natürlich Alltag, andererseits krass illegal und – sofern es sich bei dem Hersteller um ein marktführendes oder marktstarkes Unternehmen im Sinne der §§ 19, 20 GWB handelt – auch ein eindeutiger Verstoß gegen Kartellrecht.
Der Belieferungsanspruch des Einzelhändlers
Dem betroffenen Einzelhändler, diesem Judas, gesteht das GWB aber doch glatt einen Anspruch auf Belieferung zu, den dieser auch gerichtlich durchsetzen kann.
Und nicht nur dass: Auch Schadensersatz für die durch die Nichtbelieferung eingetretene Unbill muss der Hersteller für sein diskriminierendes Verhalten leisten!
Ich habe schon einige Einzelhändler in einer derartigen Situation gerichtlich gegen den Hersteller vertreten – und in jedem, aber wirklich jedem gerichtlichen Verfahren kommt – quasi mit Ansage – ein für mich immer wieder zum Brüllen komischer Moment:
Ich lege dem Gericht natürlich gern die eigenen Werbeaussagen des beklagten Hersteller vor:
… der Marktführer auf dem Gebiet der …
… seit 100 Jahren Marktführer im Bereich …
… absolute Spitzenstellung unter den Herstellern von …
usw.
Dann kommt die Klageerwiderung. Und plötzlich – April April – das mit der Marktführerschaft war nur Spaß!
Marktführerschaft? War nur Spaß (bzw. Werbung)!
Da wird von Herstellern ohne jede falsche Scham vorgetragen, man führe jährlich Markterhebungen mit renommierten Instituten durch und verfüge seit vielen Jahren – bei genauer Betrachtung eigentlich schon immer – über einen Marktanteil von 2,0% bis 2,8% – siehe Anlage…
Die eigenen Produkte seine der Konkurrenz völlig unterlegen und am Markt gänzlich ohne Bedeutung.
Und dann?
Aufgebrachte Reaktionen des Gerichts nach Wiederholung dieses kecken Vortrags in der mündlichen Verhandlung? Ein wütend aufspringender, die Akten ob dieser Dreistigkeit nach dem Beklagtenvertreter schleudernder Vorsitzender? Aufruhr im Publikum und lautstarke Missfallensbekundungen? Irreführung der Verbraucher? Täuschung der Kunden? UWG? Wettbewerbsrecht? Hallo, irgendjemand zu Hause?
Ach was. das ist..
Normalität im Streit um Belieferung mit Markenware.
Vielleicht ein verzagter Blick des Mandanten, der soeben vom Pfad des rechten Glaubens abzukommen droht.
Zum Glück kommen die „Marktführer“ von eigenen Gnaden mit dieser Nummer idR. nicht durch und es gelingt (dem Gericht), die Hersteller zur Wiederaufnahme der schon früher erfolgreichen Geschäftsbeziehung zu bringen.
Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil eigentlich nicht die Hersteller diejenigen sind, die diskriminieren wollen, sondern die Mitbewerber des Einzelhändlers.
Lustig ist es trotzdem immer wieder, wenn der Marktführer mitteilt „ … unsere Produkte haben höchstens einen Marktanteil von 2%…“